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Kalender 2019, Februar – Lernen in der Psychotherapie

Nicht erst seit Sigmund Freud versuchen Menschen, sich in therapeutischen Prozessen weiterzuentwickeln, sich zu vervollkommnen und seelische wie körperliche Leiden zu lindern. Für all diese Bemühungen ist es unabdingbar, zu lernen – gleichgültig, in welcher psychotherapeutischen Richtung wir uns befinden und welche Methoden diese sich auf die Fahnen geschrieben hat.
Schon dem seit der Antike berühmten Sokratischen Dialog lag das Bemühen zugrunde, im Gespräch Selbstverständliches zu hinterfragen, eigene Überzeugungen zu reflektieren und dadurch zu neuen, produktiven Sichtweisen zu gelangen.
Während sich psychologische Schulen lange Zeit gegenseitig erbittert bekämpften, ist sich die Forschung heute einig, dass jedem therapeutischen Prozess ähnliche Lernprinzipien zugrunde liegen. Es geht immer darum, das eigene Denken, Fühlen und Handeln in Frage zu stellen, neue Arten des Erlebens und Verhaltens zu erlernen und so mit sich selbst und der Welt besser zurechtzukommen. In der Freudschen Psychoanalyse lernt die Person viel über die Ursachen des eigenen Leidens in der Kindheit und Herkunftsfamilie und gelangt über diese Erkenntnisse zu einem neuen Selbst- und Weltbild. Die im Behaviorismus begründete Verhaltenstherapie betont, dass erlernte, negative Denk- und Verhaltensmuster im therapeutischen Prozess verlernt und durch positive, hilfreiche ersetzt werden können. In der Humanistischen Psychotherapie werden die zugrunde liegenden Lernprozesse als „Wachstum“ oder „Selbstverwirklichung“ bezeichnet. Die Klienten lernen, sich selbst zu verstehen, zu akzeptieren und zu achten und damit auch ihrer Umwelt auf neue Weise gegenüberzutreten.
Lernprozesse benötigen Zeit, und sie verlaufen meist nicht linear. Lernfähigkeit und -tempo gestalten sich zudem individuell sehr unterschiedlich. Das eigene Erleben und Handeln zu verändern, kann mühsam sein wie das Erlernen einer Fremdsprache oder eines Musikinstruments. Was in vielen Lebensjahren gelernt wurde, ist nicht von heute auf morgen zu verändern. Vielfach leisten wir auch selbst Widerstand gegen die eigentlich angestrebte Veränderung, denn das Gewohnte fühlt sich, selbst wenn es ungünstig und schädlich ist, vertraut an, während neu gelernte Erlebnis- und Handlungsweisen ungewohnt und bedrohlich wirken können. Rückfälle in alte Muster sind im therapeutischen Prozess, besonders in kritischen oder stressbetonten Lebensphasen, keine Seltenheit. Viele vergleichen deshalb den Lernprozess in einer Psychotherapie mit einer sich nach oben windenden Spirale: Obwohl man scheinbar immer wieder an einen früheren Punkt gelangt, befindet man sich eigentlich bereits auf einer höheren Ebene.

Quellen/Sources:

  • Originaltext aus dem Kalender 2015 / Original text from the Calendar 2015
  • Yalom, I. D.(1999). Die Liebe und ihr Henker & andere Geschichten aus der Psychotherapie. München: btb.
  • Reddemann, L. (2012). Eine Reise von 1.000 Meilen beginnt mit dem ersten Schritt. 7. Auflage. Freiburg: Herder.
  • Betz, R. (2013). Willst du normal sein oder glücklich? 20. Auflage. München: Wilhelm Heyne Verlag.
  • Bilder/Pictures: © Barry Barnes, fottoo – Fotolia.com

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