Die Ortsunabhängigkeit beim Lernen war der Trigger des schnellen Umstellungsprozesses im Covid-19-beherrschten Sommersemester. In den letzten acht Wochen hat die Arbeit des ILI sich auf das Ermöglichen ortsunabhängiger Lehre an der FAU fokussiert. Und wir haben große Freude daran gehabt, unser Wissen und Können mit allen FAU-Lehrenden zu teilen.
Das Überwinden des physischen Raumes stand im Mittelpunkt der intensiven Arbeit -allerdings wurden auch weitere Vorteile der digitalen Lehre mitbedacht. Denn mit den geeigneten digitalen Lehr- und Lernkonzepten erreichen wir eine
- diversitätsgerechtere Lehre: Jeder Lernende lernt anders. Der Lernende in seiner besonderen Lebenssituation, mit seiner einzigartigen Lernbiographie und die daraus resultierenden Lernbedürfnisse wird im Lernformat besser berücksichtigt.
- Zeitunabhängigkeit im Lernprozess: Jeder in seiner Geschwindigkeit und zu seiner Zeit. Je nach Lernformat können dem Lernenden Freiräume hinsichtlich der zeitlichen Gestaltung und Dauer seines Lernweges eingeräumt werden. Dies ist v.a. möglich, wenn die Lehre zum überwiegenden Teil asynchron stattfindet.
- Ortsunabhängigkeit beim Lernen: Lernen kann überall stattfinden. Mit geeigneten Konzepten, technischer Ausstattung und genauen Anleitungen kann die digitale Lehre den physischen Raum überwinden ohne eine Aufgabe des menschlichen Miteinanders.
Aber welchen Weg verfolgt das ILI, welche Grundkonzepte und Personen inspirieren und leiten uns an? Es sind unendlich viele.
Eine wichtige und inspirierende Persönlichkeit ist Prof. Gilly Salmon (Emeritus Prof. of Innovation and Transformation, University Liverpool, Vize-Präsidentin für Bildungsinnovation UWA). In diversen EU-Bildungsprojekten haben wir mit ihr und ihrem Team zusammengearbeitet und auf diesem Weg Ihre Arbeit näher kennengelernt. Zu ihren bekannten Arbeiten gehört das 5-Stufenmodell für das Online-Lernen und -Lehren.
Das 5-Stufenmodell für das Online-Lernen und -Lehren
Das Ziel des Fünf-Stufen-Modells ist ein interaktives Online-Lernen, das Teilnehmer*innen aktiviert und eine höhere Zufriedenheit bei allen Beteiligten erreicht.
In ihrem Modell formuliert Prof. Salmon einen strukturierten fünfstufigen Prozess, mit dessen Hilfe Lehrende und Lernende einen erfolgreichen Einstieg in das Online-Lernen und -Lehren finden sollen. Das Modell beschreibt sowohl die Anforderungen an die Teilnehmer*innen als auch die Betreuungsaufgaben, die Lehrende in der jeweiligen Phase übernehmen müssen.
Stufe 1
In der ersten Stufe geht es um den Zugang, die Motivation und die Schaffung einer positiven Einstellung zum Online-Lernen. Das Ankommen in der Lehrveranstaltung ist das Ziel. Setting, Begrüßung und Vorstellung der Teilnehmenden steht im Vordergrund aller Aktivitäten. Klare Informationen, Begrüßungsvideos, Online-Kick-offs mit Vorstellung der Teilnehmenden in den einzelnen Veranstaltungen sind hilfreiche Praktiken hierfür.
Stufe 2
Stufe 2 steht für die Schaffung einer „Online-Identität“ bzw. die aktive Unterstützung der „Online-Sozialisation“. „Sich daran gewöhnen“ ist das Ziel. Die Lernenden erkunden das Online-Lehrangebot und entwickeln dabei ihre Online-Identität und Lern-Routine. Sie entwickeln ihre Lernkompetenz im Kontext der Lehrveranstaltung weiter. Die Lehrenden können durch Lernpläne mit konkreten Vorgaben für die ersten Wochen, mit einer videobasierten Vorstellung der einzelnen Tools und/oder mit individuellen Arbeitsaufträgen die Lernenden auf diesem Weg unterstützen.
Stufe 3
In Stufe 3 rückt das Soziale in den Mittelpunkt des Geschehens. Das Ziel ist das aktive und gemeinsame Lernen. Durch die Vorarbeit in den Stufen 1 und 2 sind Struktur, Information und Vertrauen bereits aufgebaut und der Lernende kann in Austausch mit der Peer-Group treten.
Stufe 4
Die gemeinsame Konstruktion von Wissen durch diskursive Methoden ist das Ziel. Ganz konkret lässt sich das Miteinander durch Gruppenaufgaben, Diskussionsformate (z.B. asynchron in Foren oder synchron in Online-Meetings) oder gemeinsame Produktion von Inhalten (z.B. in einem Wiki oder mit Hilfe eines Etherpads) triggern.
Stufe 5
Stufe 5 steht für die abschließende Reflexion. Die Lernenden fokussieren erneut auf sich und suchen nach dem persönlichen Nutzen und den individuellen Zielen. Oft steht hier auch das Assessment oder sogar die Prüfung im Mittelpunkt: Was habe ich gelernt? Was nehme ich für mein weiteres Studium mit? Wie tragen mich das neue Wissen und Kompetenzen in meiner persönlichen Entwicklung weiter?
Die Lernenden sind alle Individuen mit unterschiedlichem Vorwissen, spezifischer Lebenssituation und Lernkompetenzen und sie werden nicht alle gleich viel Zeit auf den unterschiedlichen Stufen verbringen müssen. Insofern nimmt der Lehrende die Rolle eines Begleiters oder Lern-Kompagnons ein.