Lob des Lernens
Lerne das Einfachste! Für die
Deren Zeit gekommen ist
Ist es nie zu spät!
Lerne das ABC, es genügt nicht, aber
Lerne es! Laß es dich nicht verdrießen!
Fang an! du mußt alles wissen!
Du mußt die Führung übernehmen.
Lerne, Mann im Asyl!
Lerne Mann im Gefängnis!
Lerne Frau in der Küche!
Lerne 60-jährige!
Du mußt die Führung übernehmen.
Suche die Schule auf , Obdachloser!
Verschaffe dir Wissen, Frierender!
Hungriger, greif nach dem Buch: es ist eine Waffe:
Du mußt die Führung übernehmen.
Scheue dich nicht zu fragen, Genosse!
Laß dir nichts einreden
Sieh selber nach!
Was du nicht selber weißt
weißt du nicht.
Prüfe die Rechnung
Du mußt sie bezahlen.
Lege den Finger auf jeden Posten
Frage: Wie kommt er hierher?
Du mußt die Führung übernehmen.
Bertold Brecht
Lernen galt schon bei den alten Philosophen als Quelle menschlichen Handelns und Wissens. Der Mensch soll durch Lernen selbständig werden, soll die Fähigkeit erhalten, neue, autonome Beziehungen einzugehen und soll sich als Individuum erkennen und behaupten können. Im politischen Sinn gilt Lernen als die subjektive Seite des Demokratisierungprozesses.
Was aber ist Lernen?
In der Pädagogik ist man der Meinung, daß Lernen alles beinhaltet, was nicht durch biophysische Determination erklärbar ist. Der Säugling besitzt von Geburt an zwar alle Instrumente, um mit seiner Umwelt zu interagieren, doch erst im Umgang mit seiner Umgebung lernt er den richtigen Weg zur erfolgreichen Interaktion. Das Kind hat alle Sprachwerkzeuge ab einem bestimmten Alter ausgebildet, jedoch lernt es die jeweilige Muttersprache nur durch die wechselseitige Beziehung mit seiner Umwelt. Der Mensch an sich lernt die soziale Integration in seine Gesellschaft durch dort gemachte Erfahrungen.
Vieles also, was der Mensch in seinem Leben lernt, wurde ihn nie direkt gelehrt. So werden Fähigkeiten, Einstellungen und Verhaltensweisen nicht durch gezielte Unterrichtung erworben, sondern vor allem durch die Interaktion mit der Umwelt, in der Erfahrungen gemacht werden. Lernen vollzieht sich daher zum größten Teil aufgrund von Erfahrung, die bisher existierende Muster verändert. Bleibt diese Veränderung über einen längeren Zeitraum relativ stabil, so gilt etwas als ‚gelernt‘. Die Weitergabe des nichtgenetischen Wissens und dessen stetige Verbesserung von Generation zu Generation wird daher nicht nur über das direkte Lehren – also Unterrichten – erreicht, sondern vor allem über eine stetige Veränderung des Verhaltens/Verhaltenspotentials mittels neuer Erfahrungen.
Quellen/Sources:
- Originaltext aus dem Kalender 1999 / Original text from the Calendar 1999
- Zimbardo, P.: Psychologie. 5. Aufl. Berlin u.a. 1992
- Weidenmann, B.: Lernen und Lerntheorien.
- In: Lenzen, D.(Hg.): Enzyklopädie Erziehungswissenschaft. Bd 4: Methoden/Medien der Erziehung und des Unterrichts. Stuttgart 1985. S. 160ff.
- Gudjons, H.: Pädagogisches Grundwissen. Bad Heilbrunn 1993
- Giesecke, H.: Einführung in die Pädagogik. Weinheim u. a. 1991
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