Dutschke, Schah-Besuch, Benno Ohnesorg, APOs, RAF usw. – viele Ereignisse, Äußerungen und Gesichter der 68er-Bewegung sind schon lange fester Bestandteil des kulturellen Gedächtnisses. Die meisten verbinden damit rebellierende Studierende an Universitäten. Dementsprechend gestalten sich die typischen Rückblicke und in Dauerschleife laufenden Dokumentationen zum Thema, insbesondere dieses Jahr, in dem sich die ikonisch gewordene 68er-Bewegung zum 50. Mal jährt.
Museum für Kommunikation Frankfurt, Ausstellung im Obergeschoss
Am 11. April eröffnete im Museum für Kommunikation Frankfurt die Wanderausstellung „Klassen-Kämpfe: Schülerproteste. 1968-1972“. Das Besondere dieser Ausstellung ist es, einen bisher durchaus weniger bekannten Aspekt dieser turbulenten Zeit in den Mittelpunkt zu rücken. Denn auch an vielen Schulen fanden Protestbewegungen statt. Anstatt ein weiteres Mal die großen Geschichten zu erzählen, widmet sich „Klassen-Kämpfe“ den kleineren, aber nicht weniger wichtigen Auseinandersetzungen dieser Zeit. Beflügelt von und bewaffnet mit Dylan und Marx, Joplin und Mao rebellierten zahlreiche Schülerinnen und Schüler, teils ganze Klassen, gegen die oft erzkonservative Lehrerschaft, wehrten sich gegen Schikane und Prügel und kämpften für Anerkennung, Gleichberechtigung und neue Lehrpläne. Somit waren auch Klassenzimmer wichtige Schauplätze emanzipatorischer Kämpfe.
Wandgrafik: Chronologie der Ereignisse
Manche dieser Klassen-Kämpfe waren tatsächlich Teil der medialen Berichterstattung, andere schlugen sogar bis in den Landtag Wellen. Und doch blieb ein Großteil wegen vermeintlicher Regionalität oder Marginalität weitestgehend unsichtbar. Einige dieser vergessenen Ereignisse und Schicksale sicht- und hörbar zu machen ist zentrale Motivation dieser Ausstellung.
Statt nostalgisch verklärter Rückschau und Wiederholung der selben Erzählungen bietet diese Ausstellung neben herkömmlichen Ausstellungselementen vor allem auch dank innovativer, digitaler Methoden einen frischen, multimedialen Zugang zu den 50 Jahre zurückliegenden Ereignissen. Durch Lernstationen wird dem authentischen Material von Zeitzeugen aus dem Raum Frankfurt und Nürnberg zusätzliche Griffigkeit verliehen. Durch Audiointerviews, Tagebücher, private Fotografien u.ä. teilen ehemalige Schülerinnen und Schüler von damals ihre individuellen Geschichten und ermöglichen einen besonders intimen Museumsbesuch. Derart werden Erfahrungen junger Menschen zugänglich gemacht, die womöglich mit noch mehr Druck und Schikane zu kämpfen hatten, als die bereits selbstständigen und deutlich politisierten jungen Erwachsenen an den Universitäten. Zwischen Unterdrückung im Elternhaus, dem Einfluss der neuen Rockmusik, repressivem Schulunterricht und kritischer Theorie wurden Klassenzimmer zu wahren Kampfzonen.
Lernstation: Eckbank mit Originaldokumenten und Tabletpräsentationen zum Thema „Rebellion“
Zu den Schlagworten Pop, Prügel, Sex, Provokation, Rebellion oder Rollenbilder können sich Besucher der Ausstellung nicht nur umfassend informieren sondern konkrete Ereignisse von damals auch nachfühlen und sich in die Erfahrungen von Zeitzeugen einleben. Besonders für Schülerinnen und Schüler bieten die Erfahrungen, Geschichten und Materialen damaliger Jugendlicher eine spannende Kontaktmöglichkeit. Viele Selbstverständlichkeiten des heutigen Schulalltags, des Lehrer-Schüler-Verhältnisses oder der Erziehung innerhalb der Familie können in der Rückschau als hart umkämpft erfahren werden. Auch 50 Jahre später haben diese Themen nichts von ihrer Aktualität eingebüßt, im Gegenteil: sie müssen nicht nur immer wieder erinnert und aktualisiert sondern in ihren Motivationen jeder neuen Generation zugänglich und verständlich gemacht werden.
Multimediale Tabletpräsentation zum Thema „Rollenbilder“
Die Ausstellung ist das Ergebnis der Zusammenarbeit des Schulmuseums Nürnberg und der Zentralkustodie der Universität Erlangen-Nürnberg in Kooperation mit dem Museum für Kommunikation Frankfurt und der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit. Zuständig für die gestalterische, technische und didaktische Umsetzung der Tabletpräsentationen – mit eigens dafür programmierten iOS-Apps – ist das Institut für Lern-Innovation aus Fürth. Mittels interaktiver und multimedialer Präsentationen wird ein Teil des Materials auf ansprechende Art und Weise zugänglich gemacht, wodurch die Ausstellung neuen und innovativen Formen des Museumsbesuchs gerecht wird – insbesondere in einem Museum für Kommunikation.
Tablets mit Apps
Analoge Dokumente und digitale Technologie Hand in Hand. Ein Projekt der Partizipation und Mitgestaltung, in vielerlei Hinsicht. Als Institut für Lern-Innovation sind wir stolz auf die Ergebnisse der fertigen Ausstellung und hoffen auf viele stimulierende Besuche.
Hinweis: Ab 26. Juli gastiert die Ausstellung im Sonderausstellungsraum des Museum Industriekultur Nürnberg in erweiterter Form. Hierzu werden voraussichtlich zwei komplett neue Themen samt Lernstation entwickelt.
Weitere Informationen zur Ausstellung und den Museen findest Du hier.